Der bayrische Jedermann (1994)

Im Prolog sendet Gott der Herr seinen starken Boten, den Tod aus, um Jedermann vorzuladen, damit dieser mit Hilfe seines „Rechenbuchs“ Auskunft gebe über seine Verdienste und Versäumnisse im Leben.
Ihm, den irdischen Allerweltsreichen zeichnet zu allen Zeiten eines aus: er gibt dem „Geldsack groß die Ehr/ als obs der Tabernakel wär.“ Für die arme Nachbarin hat er allerdings nur einen Kreuzer als deren „rechten Teil“ übrig. Und den bedauernswerten Schuldknecht, der seiner Schulden wegen in den Turm geworfen wird, belehrt er, dass das Geld dem Menschen Macht verleiht – „ganz ohne Gewalt“. Durch seinen Reichtum glaubt Jedermann, sich vor den Ansprüchen der Mitwelt in ein erfülltes Eigenleben zurückziehen zu können. Selbst seine Mutter, die ihn auf die Vergänglichkeit alles Irdischen hinweist und ihren Sohn an seine „Sündnschuld“ erinnert, kann nicht viel damit bewirken. Ihrer Mahnung: „Da Tod ko kemma jede Stund“ begegnet er mit den Worten „I bin do frisch, I gspür mi gsund, zum Friedhof ausse is´s no weit/ und aa zur Buaß hab i no Zeit.“
Wie wenig Zeit er noch zur Verfügung hat, wird ihm bald gewahr. Beim großen Festmahl, das er für seine Freunde gibt und mit dem das Stück seinen Höhepunkt erreicht, überkommen den Gastgeber unvermittelt bedrückende Vorahnungen. Immer wieder äußert er Gedanken an den Tod; nur er allein sieht plötzlich Gäste im Totenhemd dasitzen; nur er hört mahnende Glockentöne und die entsetzlichen „Jedermann-Rufe“. Und dann, mitten im Trubel des Festgelages tritt er selbst auf – der Tod. Er fordert Jedermann auf, ihm unverzüglich vor Gottes Thron zu folgen, und dort für sein „irdisches Leben / sofort die klare Rechnung geben.“
Eine einzige Stunde Aufschub, um sich Weggenossen für die letzte Reise zu suchen, wird ihm gewährt. Doch keiner will ihn begleiten; alle fliehen entsetzt – sein guter Freund ebenso, wie seine beiden Vettern. Auch seine Geliebte hat die Flucht vor dem Tod ergriffen. Und selbst seine irdische Identität, sein Reichtum, an den er sich zuletzt klammert, versagt ihm den Dienst. Aus der großen Geldtruhe entsteigt der personifizierte Geldgötze Mammon und belehrt den Besitz-Besessenen, wer von ihnen auf Erden wessen Herr und Knecht gewesen ist.
Alleingelassen im Angesicht des Todes vernimmt er die schwache Stimme einer gebrechlichen Frau: die Stimme seiner wenigen guten Werke. Die tragen sich ihm als Begleitung an auf seinen schweren Gang, doch sie stehen auf zu schwachen Füßen: er hat sie in seiner Vergötzung des Geldes zeitlebens zu gering geachtet. Es bedarf ihrer Schwester, des Glaubens, ihm in der Todesstunde Reue und ein christliches Credo zu entlocken. Zwar versucht der Teufel, diese arme Reichen-Seele, die ihm zusteht wie keine zweite, noch für sich zu gewinnen, doch der neu erwachte Glaube und die Werke, die zusehends an Kraft gewonnen und ihre Krücke abgeworfen haben, verwehren ihm den Weg und geleiten die geläuterte Seele vor den göttlichen Richtstuhl.

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